Nudge – der Schubs in die richtige Richtung

Ein Zauberschl?ssel f?r kluge Entscheidungen

Autor: Reinhard F. Leiter, Executive Coach M?nchen

Der Mensch ist ein komplexes Wesen – oft mehr Getriebener als Lenker seines Schicksals. Seine Entscheidungen sind gepr?gt von Emotionen, Gewohnheiten und ?u?eren Einfl?ssen. Oft wei? er nicht, was wirklich gut f?r ihn ist. Es bedarf daher sanfter Lenkung. Der Nudge, ein zarter Sto? in die richtige Richtung, soll ihm dabei helfen, die f?r ihn und die Gesellschaft besten Entscheidungen zu treffen. So wird er zum Beispiel dazu angehalten, seine Zukunft zu planen, seinen ?kologischen Fu?abdruck zu verringern und seine Gesundheit zu f?rdern. Ein gut gemeinter Eingriff in die Autonomie des Individuums, der letztlich dem Wohle aller dienen soll.

Nudging gibt die Antwort.
Nudging bedeutet im Wesentlichen, Menschen auf sanfte, subtile Weise zu einer bestimmten Handlung oder Entscheidung zu ermutigen. Keine Vorschriften, keine Verbote, nur ein kleiner Ansto?. Klingt einfach, ist aber super effektiv! In der Psychologie und Verhaltens?konomie ist das ein hei?es Thema. Man hat festgestellt, dass selbst kleine Ver?nderungen in unserer Umgebung gro?e Auswirkungen auf unser Verhalten haben k?nnen. Die Idee stammt von den beiden Experten Richard Thaler und Cass Sunstein (NUDGE – Wie man kluge Entscheidungen anst??t) und hat schon so manchen Politiker ?berzeugt, unter anderem den ehemaligen US-Pr?sidenten Barack Obama.

Wie funktioniert Nudging?
Nudging ist eine moderne Form der Verhaltensbeeinflussung. Man nimmt den Menschen nicht ihre Freiheit, sondern lenkt sie sanft in die gew?nschte Richtung. Die zwei Kerben am Lenkrad sind ein klassisches Beispiel: subtil, aber effektiv. Der Fahrer wei?, wo er seine H?nde am Lenkrad platzieren muss. Und die Lebensmittelampel? Ein weiteres Instrument, um unser Verhalten zu formen. Schlie?lich sind wir alle nur rationale Wesen, die sich von Farben und Symbolen leiten lassen. Die Idee dahinter ist so einfach wie genial: Man muss den Menschen nur ein bisschen helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Denn wer will schon, dass er sich ungesund ern?hrt oder seine Umwelt zerst?rt.

Der Mensch ist ein komplexes Wesen, das sich von Emotionen und Gewohnheiten leiten l?sst. Die Theorie vom rational handelnden Menschen, dem Homo oeconomicus, ist ein sch?nes M?rchen, hat aber mit der Realit?t wenig zu tun. Experimente zeigen immer wieder, dass wir uns oft irrational verhalten. Deshalb brauchen wir die Nudges, jene sanften Anst??e, die uns helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Obst in Augenh?he, Warnhinweise auf Zigarettenschachteln – das alles sind kleine Tricks, die uns in die gew?nschte Richtung lenken. Und wenn der Staat das tut, dann spricht man von „libert?rem Paternalismus“. Klingt paradox, ist aber eigentlich nur der Versuch, uns vor uns selbst zu sch?tzen.

Das Setzen von sozial optimalen Defaults
Da der Mensch ein Gewohnheitstier ist, tendiert er dazu, bei Entscheidungen den einfachsten Weg zu gehen. Deshalb sind Defaults so effektiv. Wenn man Menschen automatisch in eine bestimmte Richtung lenkt, bleiben sie oft dabei. Amazon ist ein gutes Beispiel: Dort wird der Kunde ganz sanft in die gew?nschte Richtung geschoben. Am Ende des Online-Kaufs wird gefragt, wie das Produkt geliefert werden soll. Die Auswahl wird dann von Amazon als Standardlieferung festgelegt. In der Regel bleibt der Kunde aus Bequemlichkeit bei dieser Versandart.

Mit einem kleinen Kniff kann man viel Gutes bewirken. Eine Universit?t in den USA hat ihre Drucker auf Duplex-Druck umgestellt. Klingt unspektakul?r, ist aber mega effektiv. Die Studenten und Mitarbeiter hatten einfach keine Lust mehr, jedes Mal die Druckoption zu ?ndern, und so wurde automatisch weniger Papier verbraucht. Das Ergebnis: 44 Prozent weniger Papierverbrauch und tausende gerettete B?ume. Ein echter Erfolg f?r die Umwelt!

Information-Nudges
Es geht auch anders. Information-Nudges – was so wissenschaftlich klingt, ist nur ein neumodischer Ausdruck f?r Bevormundung und Manipulation. Man ?bersch?ttet uns mit mehr Informationen, als wir eigentlich brauchen, und hofft, dass wir dann die richtigen Entscheidungen treffen.

Nudges zur Selbstkontrolle
Der Mensch ist ein Wesen, das oft seinen eigenen Impulsen erliegt. Um ihm zu helfen, seine Selbstkontrolle zu st?rken, gibt es mittlerweile die unterschiedlichsten Angebote. Die Selbstsperre in Spielbanken durch den Spiels?chtigen ist ein Beispiel daf?r. Und wer es ganz genau wissen will, der kann sich bei StickK.com anmelden. Dort wird man zum eigenen Kontrollfreak. Eine Institution oder Person ?berwacht, ob man das vereinbarte Ziel erreicht. Erreicht man das Ziel nicht, zahlt man Geld an eine Institution. Eine interessante Methode, um die eigene Motivation zu steigern.

Libert?rer Paternalismus
Empirischen Erkenntnissen zur Folge wird der Mensch von vielen Faktoren beeinflusst. Seine Entscheidungen sind dabei nicht immer rational. Deshalb muss man ihm ein wenig unter die Arme greifen. Man baut ihm sozusagen eine kleine Entscheidungsarchitektur, in der er sich dann so richtig wohl f?hlt und die ihn zu guten Entscheidungen f?hrt. Das nennt man ‚libert?ren Paternalismus‘. Klingt paradox, ist aber eigentlich nur der Versuch, dem Menschen zu helfen, ohne ihm seine Freiheit zu nehmen, sich gegen den vorgeschlagenen Weg zu entscheiden.

Ein Beispiel f?r Nudges, die auf libert?rem Paternalismus basieren, ist die Pr?sentation von Lebensmitteln auf einem Kantinenbuffet. Liegen auf einem Kantinenbuffet Obst in Griffn?he, Donuts und Plundergeb?ck aber weiter weg, greifen die Nutzer h?ufiger zum Obst.

Drei Prinzipien f?r den Einsatz von „ethischen“ Nudges:

1.Nudges m?ssen transparent und d?rfen nicht irref?hrend sein.
2.Es sollte so einfach wie m?glich sein, sich gegen einen Nudge zu entscheiden.
3.Es sollte gute Gr?nde daf?r geben, dass das durch einen Nudge gef?rderte Verhalten dem Wohlergehen der Gesellschaft dient.

Nudging – nicht frei von Kritik
Die Annahme, dass der Mensch sich irrational verh?lt, ist sehr bequem. Man kann ihn dann leicht manipulieren und ihm erkl?ren, was gut f?r ihn ist. Die Psychologen haben da aber ihre Zweifel. Sie sagen, dass wir vielleicht gar nicht so irrational sind, wie wir scheinen. Unsere Entscheidungen haben oft einen tieferen Sinn, als wir denken. Verhaltensanomalien seien keineswegs als menschliche Defizite zu werten, sondern h?tten durchaus einen guten Sinn. Das wirft nat?rlich ein ganz neues Licht auf den Nudge-Ansatz.

Kritik am paternalistischen Ansatz der Nudges kommt auch aus der Rechtswissenschaft. Der Nudge, ein kleiner Schubs in die richtige Richtung, oder sogar ein kr?ftiger Sto? in die Freiheit? Die Juristen sind da skeptisch. Sie sehen in den Nudges eine Gefahr f?r unsere Grundrechte, wo durch paternalistische Nudges die freie Entscheidung eines selbstbestimmten und informierten Individuums missachtet werde. Schlie?lich wollen wir doch alle selbst entscheiden k?nnen, ob wir uns gesund ern?hren oder lieber eine T?te Chips verdr?cken.

Auch f?r die Philosophen ist l?ngst klar: Nudging ist nichts anderes als Manipulation. Sie kritisieren auf normativer Ebene die gesamtgesellschaftlichen Folgen von Nudges, da sie nur schwer mit den demokratischen Grundprinzipien ?ffentlicher Institutionen vereinbar seien. Wenn wir die Menschen st?ndig in eine bestimmte Richtung schubsen, wo bleibt dann unsere pers?nliche Freiheit? Zumal Nudges keine Handlungsgr?nde liefern.

Auch die ?konomen sind vom Nudge-Ansatz als erfolgversprechendem Versuch, die Welt zu verbessern, nicht ?berzeugt. Dahinter steckt vor allem die Frage, ob wir wirklich wissen, was gut f?r uns ist. Sie bezweifeln die Wirksamkeit. Aus methodischer Sicht wird bem?ngelt, dass die Betrachtung des Nutzens von Nudging im Vordergrund steht, ohne die damit verbundenen Kosten realistisch zu ber?cksichtigen. Auch in der Nachhaltigkeitsforschung wird die Wirksamkeit von Nudging als umweltpolitisches Instrument in Frage gestellt.

Der Schl?ssel f?r kluge Entscheidungen
Wie man sieht, ist das Nudging ein komplexes Thema mit viel Pro und Contra. Es besteht noch viel Forschungsbedarf und es sind noch viele offene Fragen zu beantworten. F?r Frank Schirrmacher von der FAZ ist Nudging trotz aller Kritik „nicht mehr und nicht weniger als ein Zauberschl?ssel, um kluge Entscheidungen zu treffen“.

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