Die Stadt >> Die neue Grundsteuer >> Der „Goldesel“

Essen – Roland Franz, Gesch?ftsf?hrender Gesellschafter der Steuerberatungskanzlei Roland Franz & Partner in Essen und Velbert, macht deutlich, dass die Grundsteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen der Gemeinden z?hlt und die Gemeinden diese Mittel ben?tigen, um damit eigentlich Schulen, Kitas, Schwimmb?der oder B?chereien zu finanzieren und wichtige Investitionen in die ?rtliche Infrastruktur, wie beispielsweise Stra?en, Radwege oder Br?cken vorzunehmen. Allerdings kann man bei der Stadt Essen einen anderen Eindruck gewinnen.

Die Stadt ist hoch verschuldet – man spricht von drei Milliarden Euro – und dennoch z?hlen f?r den OB und seinen Stadtrat der Stadion-Neu-/Ausbau eines drittklassigen Fu?ballvereins, der Bau einer Konzertarena (trotz der Nachbarschaft zur Schalke-Arena), die Totalsanierung der Regattatrib?ne am Baldeneysee und die Erweiterung des Stadtbahnschienennetzes in einem Stadtteil, der noch nicht einmal existiert, zur Infrastruktur.

Wie bereits erw?hnt, ist die Stadt hoch verschuldet. Ist das vielleicht der Grund, warum die Stadt – und ma?geblich ihr OB Kufen – so unnachgiebig nach der Erteilung von nachweislich unkorrekten Grundsteuermessbescheiden durch das jeweilige Finanzamt nun ihrerseits Grundsteuerbescheide erl?sst und keine Aussetzung des Vollzuges akzeptiert, obwohl das Verfahren bei dem jeweiligen Finanzamt noch gar nicht entschieden ist?

Zwingt die Stadt Essen ihre B?rger in jedem Einzelfall vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit dem Kalk?l, dass wegen des komplizierten Verfahrens wahrscheinlich nur eine „?berschaubare“ Minderheit der B?rger diesen Weg beschreitet?

Ein Drama in 6 Akten

I.
„Der deutsche Bundesrat hat im Jahr 2019 eine Grundsteuerreform verabschiedet, die am 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist. Der Hintergrund der Reform war, dass die Grundsteuer bislang gegen das Gleichheitsprinzip nach Artikel 3 des Grundgesetzes verstie?. Der Bund hat bei der Einf?hrung davon gesprochen, die Reform aufkommensneutral zu gestalten“, erinnert Steuerberater Roland Franz.

Das Land NRW interpretiert: St?dte und Gemeinden bestimmen ihre Hebes?tze im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben selbst. Die aufkommensneutralen Hebes?tze, die das Land berechnet hat, k?nnen den Entscheiderinnen und Entscheidern in den Rath?usern und R?ten als Anhaltspunkte dienen, wenn sie die Grundsteuer insgesamt auf einem stabilen Niveau halten wollen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die H?he der zu zahlenden Grundsteuer f?r jeden Menschen und jedes Unternehmen gleich bleibt, wenn eine Kommune den ermittelten Hebesatz des Landes anwendet.

Weiter f?hrt das Land NRW aus:
„Aufkommensneutralit?t f?r die Kommune bedeutet nicht Belastungsneutralit?t f?r die B?rgerinnen und B?rger.“ (https://www.finanzverwaltung.nrw.de/aufkommensneutrale-hebesaetze).

„Ein Eckpfeiler der neuen Grundsteuer war, dass f?r eine Vielzahl von Grundst?cken bei der Bewertung durch das Finanzamt die Bodenrichtwerte f?r Bauland zugrunde gelegt wurden, und zwar auch f?r Gartengrundst?cke, Brachland, Waldfl?chen innerhalb einer Bebauung usw.“, erkl?rt Steuerberater Roland Franz.

II.
Es gab heftige Kritik an dieser Verfahrensweise. Nun zeigt ein Rechtsgutachten, dass die neue Regelung ebenfalls nicht verfassungskonform sein k?nnte (Gregor Kirchhof, der Direktor des Instituts f?r Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universit?t Augsburg). Die beiden Verb?nde, die das Gutachten beauftragt hatten, haben gegen das sogenannte Bundesmodell Musterklagen eingereicht. Das Bundesmodell gilt in 11 Bundesl?ndern, darunter auch in Nordrhein-Westfalen.

„Auch der Bundesfinanzhof hat Zweifel an der Berechnung der neuen Grundsteuer angemeldet. Hausbesitzer m?ssten nachweisen k?nnen, dass ihr Grundst?ck weniger wert ist als vom Finanzamt ermittelt“, berichtet Steuerberater Roland Franz.

Die Grundsteuerreform hat in einigen F?llen zu drastischen Erh?hungen gef?hrt:
– In Berlin-Biesdorf beispielsweise muss ein Grundst?ckseigent?mer trotz fehlender Infrastruktur wie Trink- und Abwasseranschl?ssen 911,80 Euro zahlen, vorher waren es 400 Euro. (Steigerung: etwa 108 Prozent).

– In Aalen (Baden-W?rttemberg) stieg beispielsweise die Steuer f?r eine 300 Quadratmeter gro?e Immobilie z.B. von 154 Euro auf 322 Euro pro Quartal (Steigerung: 109 Prozent).

– Ein Fall aus Nordrhein-Westfalen zeigt eine Erh?hung der j?hrlichen Grundsteuer von 350 Euro auf 3.900 Euro (Steigerung: mehr als 1.000 Prozent).

* Angaben: „Bund der Steuerzahler“ und Verband „Haus & Grund“

III.
In der Zwischenzeit haben die meisten Immobilienbesitzer – im Beh?rdenterminus „Steuerpflichtige“ genannt – Post vom Finanzamt erhalten. „In vielen F?llen haben Steuerpflichtige sowohl gegen den Grundsteuerwertbescheid als auch gegen den Grundsteuermessbescheid einen begr?ndeten Einspruch eingelegt. Eine Best?tigung ?ber den Eingang des Einspruchs erteilt das Finanzamt in der Regel nicht. Zudem hat die Praxis gezeigt, dass die Finanz?mter die meisten Einspr?che offensichtlich ruhen lassen, denn bisher gab es nur in den wenigsten F?llen berichtigte Bescheide“, f?gt Steuerberater Roland Franz hinzu.

IV.
Dieser „Schwebezustand“ hindert die Stadt Essen aber nicht daran, die Grundsteuerwert- und -messbescheide f?r die Berechnung der Grundsteuer zugrunde zu legen, die neue Grundsteuer „in Rechnung“ zu stellen und gnadenlos einzutreiben. Das hei?t, der B?rger, Immobilienbesitzer bzw. Steuerpflichtige muss in jedem Einzelfall Klage einreichen. Im Fall der Stadt Essen ist es das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Dort liegen laut der Jahresstatistik 2024 des Gerichts derzeit 9.000 unbearbeitete F?lle vor (Dr. Siegbert Gatawis, Pr?sident des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, WAZ/NRZ, 25.04.2025). Offensichtlich hat die Stadt Essen den Anspruch, diese Zahl unn?tz zu erh?hen.

V.
Die Stadt Essen ist bankrott. Das ist wohl der Grund f?r diese unnachgiebige, ja gnadenlose Vorgehensweise. Der Stadt ist vermutlich bewusst, dass h?chstens 20 Prozent der betroffenen B?rger die Hilfe eines Verwaltungsgerichts in Anspruch nehmen werden.

VI.
Ist die Stadt bankrott? Man k?nnte es meinen.
Die Pro-Kopf-Verschuldung lag 2023 zwar nicht bei 9.419 Euro wie in der h?chst verschuldeten Gemeinde Duisburg, aber auch nicht bei 6,62 Euro wie in der am niedrigsten verschuldeten Gemeinde Salzkotten (Kreis Paderborn).
Nur der Vollst?ndigkeit halber: Die Stadt Velen im Kreis Borken war 2023 die einzige Kommune in NRW ohne Schulden.
In Essen liegt sie immerhin bei 5.237 Euro.
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/kommunen-schulden-gestiegen-100.html

Dazu zwei Beispiele:
Auf der einen Seite will die Stadt das Parken am Baldeneysee „bewirtschaften“, also kostenpflichtig machen, wie die NRZ berichtete. Auf der anderen Seite dr?ngt der Oberb?rgermeister Kufen auf den Ausbau des RWE-Stadions (siehe NRZ Nr. 84 vom 9.4.2025). Die Kosten belaufen sich vorerst auf 27,36 Millionen Euro.
https://www.waz.de/lokales/essen/article408650117/ob-kufen-forciert-stadionausbau-fuer-27-millionen-euro.html

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