Berlin, den 9. Februar 2022 – An der Architektur der 50er Jahre scheiden sich die Geister. Kritiker halten die Geb?ude angesichts ihrer simplen Formen- und Materialsprache f?r Baus?nden. Bef?rworter sch?tzen die feingliedrige, architektonische Qualit?t und die durchdachten Details. Nachdem ein Gro?teil der Nachkriegsbauten peu ? peu aus dem Stadtbild verschwunden ist, fand in den letzten Jahren ein Umdenken statt. Zur Bewahrung des baukulturellen Erbes wurden viele der verbleibenden Geb?ude entweder komplett oder partiell unter Denkmalschutz gestellt. Darunter auch die Fassade von „Haus Neumarkt“ in der K?lner Innenstadt, die von Arup nach historischem Vorbild und modernsten technischen Standards wiederhergestellt wurde.
Wohl proportionierte Fassaden, auskragende Flachd?cher, zur?ckgesetzte Obergeschosse und eine stark kontrastierende Farbgebung sind typisch f?r die B?rogeb?ude des K?lner Architekten Theodor Kelter. Nahezu alle erf?llen bis heute ihren urspr?nglichen Nutzungszweck. So auch das siebengeschossige Geb?ude am Neumarkt 49 aus dem Jahr 1956. Als Resultat einer nicht denkmalgerechten Sanierung in den 80er Jahren hatte das Geb?ude seinen 50er Jahre Charme komplett verloren. Nachdem kurzzeitig ?ber einen Neubau nachgedacht wurde, entschloss sich der Eigent?mer „Haus Neumarkt“ zu erhalten und im Rahmen einer Revitalisierung zukunftstauglich zu machen.
Denkmalgerechte Rekonstruktion
Da die unsachgem??e Sanierung in den 80er Jahren irreversible Sch?den an der Geb?udeh?lle hinterlassen hatte, bestand die Aufgabe von Arup darin, die Fassade unter Ber?cksichtigung aktueller bauphysikalischer Normen nach historischem Vorbild wiederherzustellen. Sch?tzen, regulieren, repr?sentieren – die Funktionen von Fassaden sind vielf?ltig. Als verbindendes Element zwischen Innen- und Au?enraum m?ssen sie sich zudem harmonisch in das st?dtebauliche Konzept des Quartiers einf?gen. „Haus Neumarkt“ zeigt, wie man dieser Multifunktionalit?t gestalterisch gerecht werden kann. Die elegante Natursteinfassade aus Jura- und Muschelkalkstein mit den typischen dreigeteilten K?lner Fenstern und den markanten schwarzen Glasbr?stungen f?gt sich optimal in den st?dtebaulichen Entwurf des renommierten K?lner Nachkriegsarchitekten Wilhelm Riphan ein. „Die Fassade ist ein gro?er Gewinn f?r das Geb?ude und den Umgebungsbereich. In konstruktiver Zusammenarbeit mit unserer Beh?rde haben die Experten von Arup eine Vielzahl von Einzell?sungen entwickelt, die die Details und atmosph?rische Wirkung der 50er Jahre Architektur wieder zum Vorschein bringen“, erl?utert Rita Pesch-Beckers, Gebietsreferentin des Stadtkonservators im Amt f?r Denkmalschutz- und Denkmalpflege in K?ln.
Reduzierter Energiebedarf
Einer der gr??ten Schwachpunkte von Nachkriegsbauten ist ihr hoher Energieverbrauch. Als thermische H?lle hat die Fassade gro?en Einfluss auf die Energiebilanz eines Geb?udes. Um die schlanke Silhouette von „Haus Neumarkt“ durch die D?mmung nicht zu beeintr?chtigen, wurde die Fassade leicht nach vorne versetzt. Auf diese Weise konnte das Geb?ude ged?mmt werden, ohne die Proportionen zu ver?ndern. Durch eine Kombination aus hochwertiger D?mmung, energieeffizienter L?ftungs- und K?hlungstechnik sowie ma?geschneidertem Sonnen- und Blendschutz wurde der Verbrauch minimiert und der Aufenthaltskomfort f?r die Nutzer maximiert. Aufgrund der urbanen innerst?dtischen Lage an einem stark frequentierten Verkehrsknotenpunkt musste die Fassade zudem erh?hte Schallschutzanforderungen erf?llen. Mit modernen Schallschutzverglasungen sowie umlaufenden Anschlusszargen konnte die urspr?ngliche Ger?uschbelastung in den Innenr?umen um ca. zehn Dezibel reduziert werden.
Zirkul?res Design
Zur Erreichung der Klimaziele stand bislang vor allem die Senkung des Energieverbrauchs im Mittelpunkt. Da der sparsame Umgang mit Rohstoffen und Baumaterialien ein wichtiger Hebel zur Reduzierung des CO2-Aussto?es ist, r?ckt zunehmend auch die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs in den Fokus. Am nachhaltigsten sind die Baumaterialien, die bereits vorhanden sind und nicht neu hergestellt werden m?ssen. Das spart Energie, Rohstoffe, Abfall und letztlich CO2. „Da in der Fassade viele wertvolle Ressourcen stecken, haben wir sie so konzipiert, dass sie sich am Ende der Nutzungsphase wieder- oder weiterverwenden l?sst“, erkl?rt Andreas Ewert, Architekt und verantwortlicher Projektleiter bei Arup. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft verzichtete man weitestgehend auf Verbundwerkstoffe. Verwendet wurden sortenrein trennbare Materialien und einfache Steckverbindungen, die den R?ckbau erleichtern.
?berlegene ?kobilanz
Aufgrund ihrer schlanken Konstruktion und des damit geringen Gewichts sind Geb?ude der Nachkriegsmoderne per se nachhaltiger als massive Bauten. Weitere Nachhaltigkeitspotenziale er?ffnet der Erhalt der Altbausubstanz und der Verzicht auf einen Neubau. „Allein durch die Weiternutzung des Stahlbetontragwerks konnten bei der Sanierung von „Haus Neumarkt“ ca. 1.600 m? Stahlbeton und damit 2.500 Tonnen CO2 eingespart werden“, macht Andreas Ewert deutlich. Bestandsgeb?ude mit ma?geschneiderten L?sungen fit f?r die Zukunft zu machen, ist eine Investition, die sich sowohl ?kologisch als auch ?konomisch auszahlt. Im Rahmen zahlreicher Revitalisierungs- und Konversionsprojekte hat Arup gezeigt, dass sich bis zu 70 Prozent der CO2-Emissionen reduzieren lassen. Und dies zu Kosten, die zwischen 10 und 75 Prozent unter denen eines Neubaus liegen.
Zukunftsweisendes Konzept
Bauherr Mathias Gross, Vorstand der POLIS Immobilien AG, freut sich, dass das pr?gnante K?lner Baudenkmal in neuem Glanz erstrahlt: „Das baukulturelle Erbe wurde erhalten und gleichzeitig moderne, flexibel nutzbare B?ro- und Gewerbefl?chen geschaffen, die auf 4.000 m? viel Raum f?r innovative Ideen und zukunftsweisende Konzepte bieten.“ Das n?chste Revitalisierungsprojekt mit ?hnlicher Aufgabenstellung ist bereits in Planung – ein B?ro- und Gesch?ftsgeb?ude in bester D?sseldorfer Innenstadtlage.
Bautafel
Bauherr: Polis Immobilien AG
Generalplaner: vonhaveprojekt GmbH
Architektur (Dach und Fassade): Arup
Bauphysik: Arup
Schallschutz: Arup
BGF: ca. 4.000 m?
Keywords:Geb?udeh?lle, Fassade, Bestandsanierung, Fassadensanierung, Zirkularit?t, CircularEconomy, Kreislaufwirtschaft