Autor: Reinhard F. Leiter, Executive Coach M?nchen
Im Jetset-Leben der Selbstoptimierung und des Dauergrinsens ist Scheitern zum hippen Trend avanciert. Das Scheitern wird glorifiziert. Sensationsgier und Schadenfreude bejubeln den Sturz der Giganten, seien es Sebastian Kurz, Alfons Schuhbeck, Rene Benko oder der FC Bayern M?nchen. H?me und Verachtung statt Analyse und Mitgef?hl. Aber wann wurden die Menschen so sadistisch?
Die rosarote Brille des Scheiterns abzunehmen, bedeutet zu akzeptieren, dass Scheitern zum Leben geh?rt, so schmerzhaft es auch sein mag. Ohne Garantie auf Erfolg. Aber n?chtern und analytisch betrachtet, ohne H?me und Schadenfreude, entsteht Erfolg durch Beharrlichkeit, durch Gl?ck und Talent, aber nat?rlich auch durch das Lernen aus Fehlern. Erfolg entsteht durch Erfolg und nicht nur durch Misserfolg. Wenn man sich dessen bewusst ist, k?nnen Fehler einen bereichern, reifer und auch menschlicher machen. Das Vermeiden ist nicht die L?sung, sondern der Umgang.
Erfolg – Fiktion vs. Wahrheit
Leichter gesagt als getan. In der Legende landen die gescheiterten Unternehmer meist wieder auf ihren F??en, die gescheiterten Genies lernen aus ihren Fehlern und steigen zu neuen H?hen auf. Die Wirklichkeit sieht anders aus. F?r vermeintlich k?hle Manager und Ingenieure ist die Verarbeitung negativer Gef?hle ein Muss. Denn Scheitern schl?gt aufs Gem?t, l?hmt und l?sst Zweifel wachsen. Der eigentliche Lernprozess beim Scheitern besteht darin, sich selbst und sein Umfeld besser kennen zu lernen und sich zu fragen, was man wirklich will, was man kann und wo die eigenen Grenzen liegen. Sonst blockieren die Emotionen. Scheitern ist wie ein Tritt in den Hintern, der einen zwingt, die Komfortzone zu verlassen und sich neu zu erfinden. Frei nach dem Sprichwort, dass es keine Schande ist, hinzufallen, sondern eine Schande, nicht wieder aufzustehen, sollte man das Scheitern als Chance f?r einen Neuanfang begreifen.
Ein ausgezeichnetes Beispiel, um dieses Sprichwort zu untermauern ist Karl Marx, seines Zeichens ein Trotzkopf, Revolution?r, Denker, Familienmensch mit einem Jahrhundertwerk, das zu seinen Lebzeiten noch keines war. Armut, verstorbene Kinder und qu?lende Krankheiten pr?gten auch sein Leben. Doch Scheitern war f?r ihn kein Grund aufzugeben, sondern Ansporn, weiterzumachen, neu anzufangen, sich immer wieder mit sich und seiner Umwelt auseinanderzusetzen.
„Es muss endlich funktionieren und ich muss Erfolg haben!“
Wer immer siegen will, wird todsicher entt?uscht werden. Es gibt immer einen gr??eren Fisch im Teich, und auch die zweite Geige der Berliner Philharmoniker ist eine gescheiterte erste Geige. F?r Manager ist die Arbeit der Schl?ssel zur Selbstverwirklichung. Sie tr?umen davon, durch Leistung und Erfolg zu einem einzigartigen, unverwechselbaren Menschen zu werden. Aber das ist zum Scheitern verurteilt. Man muss verstehen, dass das Unternehmen Leistung nimmt und daf?r Geld gibt, aber keinen sicheren Hafen f?r die eigenen Sehns?chte bietet. Das Arbeitsleben ist hart, ungerecht und gepr?gt von Neid, Intrigen und zerm?rbender Konkurrenz. Das Ergebnis sind Frustration, Entt?uschung und das Gef?hl, versagt zu haben. Um der „Managerfalle“ zu entkommen, muss man begreifen, dass man mehr ist als die eigene Karriere und dass die Arbeit nicht den eigenen Selbstwert definiert.
Phantom
Wie das Phantom in der Oper tr?gt jeder im Leben eine Maske. Die Maske ist k?nstlich, aber dahinter verbirgt sich das Bed?rfnis nach Selbstverwirklichung. Der daraus resultierende Konflikt kann nicht durch noch mehr Arbeit, Alkohol oder andere Rauschmittel, Macht oder Sex in seinen verschiedenen Formen gel?st werden. Die Folge sind psychische und soziale St?rungen wie Materialismus, Druck, Burnout, Sinnlosigkeit und Zynismus. Aus dieser Situation f?hrt nur der Weg der Selbsterkenntnis und des Loslassens. Es ist ein Weg voller Herausforderungen, aber auch voller unentdeckter M?glichkeiten. Dass man am Ende auf alle Fragen eine Antwort hat, ist unwahrscheinlich, aber es ist ein Prozess.
Feedback, please!
„Erkenne dich selbst und werde der du bist!“, sprach Sokrates und wusste schon damals, dass man die blinden Flecken nur bei anderen sieht, nicht aber im eigenen Spiegelbild. Warum sich also nicht gegenseitig durch Feedback helfen? Die Realit?t in einem Unternehmen, das von Jahresgespr?chen, 360-Grad-Feedbacks und Mitarbeiterbefragungen gepr?gt ist, scheitert letztlich an mangelndem Respekt, fehlender Anerkennung und Feigheit.
F?hrungskr?fte f?rchten die Kritik und trauen sich oft nicht, ihren Mitarbeitern die Wahrheit zu sagen. Wie ?berall „macht der Ton die Musik“, und ein konstruktives Feedbackgespr?ch kann wie ein Spiegel wirken, der einem das eigene Ich vor Augen f?hrt. Das Spiegelbild mag uns nicht immer gefallen, aber f?r die Selbstreflexion ist es notwendig. Nur wer nicht wegl?uft, sondern das Feedback annimmt und ernst nimmt, kann sich verbessern, seine Schw?chen ?berwinden und ein besserer Mensch werden.
Wechsel mich ein, Coach!
Das reine F?hren im Sinne von Befehlen und Anweisen f?hrt letztlich nur zu Schlaflosigkeit, Verspannungen, R?cken- und Nackenschmerzen, Selbst?berforderung, Minderwertigkeitsgef?hlen, Kr?nkungen, Existenz?ngsten, zwanghaftem Denken und Getriebensein.
Dieses F?hrungsmodell geh?rt der Vergangenheit an. Die Zeit ist reif f?r das potentialorientierte F?hren. Im Zentrum steht der autonome, eigenverantwortliche Mitarbeiter, der im Hier und Jetzt handelt, auf sich und seine Gesundheit achtet und seine volle Leistungsf?higkeit entfalten kann. Eine potentialorientierte F?hrung bedeutet Freir?ume zu schaffen, in denen Mitarbeiter eigenverantwortlich handeln und ihre Kreativit?t entfalten d?rfen. Au?erdem wird die Selbstreflexion durch regelm??iges Coaching gef?rdert, um die eigenen St?rken und Schw?chen zu erkennen und weiterzuentwickeln. Auf diese Weise steigert ein Unternehmen Produktivit?t und Kreativit?t, senkt Fluktuation und Krankenstand und schafft ein gesundes und positives Arbeitsklima mit motivierten und engagierten Mitarbeitern.
Von der Anweisung zur Inspiration
Die moderne Arbeitswelt definiert sich nicht mehr ?ber Anweisungen und Befehle, sondern setzt auf Inspiration und F?rderung der Mitarbeiter, um sie zu H?chstleistungen anzuspornen. Diese Form des Coachings der Mitarbeiter ist heute wichtiger denn je und l?sst sich auf vielf?ltige Art und Weise erreichen.
Durch gezieltes Training und ?bungen entwickeln die Mitarbeiter eine hohe Sensibilit?t f?r die eigene Wahrnehmung und das eigene Handeln und sch?rfen so ihre Selbstwahrnehmung. Mit Hilfe ihrer Coaches bewahren die Mitarbeiter in kritischen Momenten einen k?hlen Kopf und treffen Entscheidungen, die sowohl rational als auch menschlich sind. Die vornehmste Aufgabe von F?hrungskr?ften als Coaches ist es daher, ein Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiter ihre volle Energie, Kreativit?t und Leidenschaft entfalten k?nnen. Denn nur mit motivierten und engagierten Teams lassen sich Herausforderungen meistern.
Coaches alias F?hrungskr?fte sollten echtes Interesse an ihren Mitarbeitern zeigen und deren Situation und Bed?rfnisse verstehen. Durch offene und neutrale Fragen regen sie ihre Mitarbeiter zum Nachdenken und zur Selbstreflexion an und geben Orientierung statt Anweisungen. Auf diese Weise lernen die Mitarbeiter, sich eigenst?ndig auf neue Herausforderungen einzustellen und innovative L?sungen zu entwickeln. Da Coaching kein isoliertes F?hrungsinstrument ist, sondern die gesamte Unternehmenskultur durchdringt, f?rdert es die Zusammenarbeit, die Kommunikation und das gegenseitige Vertrauen. So entsteht ein Umfeld, in dem sich alle Mitarbeiter wohlf?hlen, ihre Potenziale voll aussch?pfen und zum gemeinsamen Erfolg beitragen k?nnen.
Die DNA eines Unternehmens
Wichtig ist ein Umfeld von Regeln, Werten und Visionen, die den Mitarbeitern ein Gef?hl der Sicherheit und Kontrolle geben. Wie die Spielregeln, die einem im Sport oder Spiel leiten. Oder auch die gemeinsamen Werte – die DNA eines Unternehmens, die allen Orientierung und Zusammenhalt gibt. Wenn diese Einstellungen und Form der Kommunikation in einem Unternehmen gefestigt sind und es durchdringen, dann ist auch das Scheitern, das Fehlermachen nur eine Phase der Entwicklung und ein Treibstoff des Lernens – mit der Gewissheit, dass der Kampf, das Leben weitergeht. Scheitern wird dann nicht zur blo?en Vorstufe des Erfolgs, sondern zur Reise an die Grenzen des M?glichen.
Letztlich gilt: Nur wer wei?, was er tut, kann tun, was er will (Moshe Feldenkrais).
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