Die Krise der europäischen Haushaltsgeräte-Industrie hat viele unbequeme Wahrheiten

Experteneinblick von Stefan Rohrhofer

Bei Haushaltsger?ten gab es ?ber Generationen hinweg einen Goldstandard, zu dem gesamte Branche aufblickte. Ob K?hlschrank oder Waschmaschine – das Label „Made in Germany“ war ein Synonym f?r beste Qualit?t, Zuverl?ssigkeit und State-of-the-Art-Technologie. Doch inzwischen hat die deutsche ebenso wie die ?brige europ?ische Haushaltsger?te-Industrie diese Spitzenposition verloren. Mehr noch: Die starken asiatischen Hersteller zwingen sie in einen schier existenziellen Konkurrenzkampf. Gleich mehrere Faktoren haben diese Situation verursacht, die gr??te Gefahr f?r die deutschen Marken ist dabei ihr eigenes Z?gern. Es also h?chste Zeit, sich mit unbequemen Wahrheiten auseinanderzusetzen.

Konkurrenz aus Asien und Nachteile auf den Heimatmarkt

Hersteller aus Asien profitieren nicht nur von ihrer Gr??e und g?nstigen Rahmenbedingungen, sie verfolgen auch eine stringentere Strategie. So gelingt es ihr, die internationale Konkurrenz hinsichtlich Innovation und Geschwindigkeit zu ?berholen. Marken im mittleren Preissegment leiden vor allem darunter, dass immer mehr g?nstige Alternativen in guter Qualit?t auf den Markt kommen. Und sogar traditionelle „Premium“-Marken erleiden Verluste in ihrem Segment. 2023 entfielen weltweit 35 % des Marktes f?r Haushaltsger?te auf asiatische Hersteller.
Zus?tzlicher Margendruck entsteht f?r die europ?ischen Hersteller durch Europas Pionierrolle bei Compliance und Nachhaltigkeit. So finden sich bei deutschen Marken zwar Produkte von herausragender Energieeffizienz, doch sind diese teurer als jene der Konkurrenz. Das h?ngt auch mit etwa 15 – 25 % h?heren Produktionskosten zusammen, die nicht zuletzt durch Umweltauflagen entstehen. Wollen die Hersteller in diesem Umfeld wettbewerbsf?hig bleiben, ist M&A nicht mehr optional, sondern wird zur ?berlebensstrategie.

1.Asien ist nicht nur billiger, sondern auch besser, schneller und innovativer.
Firmen wie Haier, LG oder Midea stehen f?r digitale Integration und Kompatibilit?t. Konsumenten empfinden sie als qualitativ ?berlegen und nutzerfreundlicher.
2.Das mittlere Marktsegment blutet aus – auch wegen Private Labels.
Private Labels und asiatische Marken mit „good enough“-Produkten dr?cken Preise und Margen – und zwingen Traditionsmarken in die Bedeutungslosigkeit.
3.Traditionelles Premium ist kein Selbstl?ufer mehr.
Nicht nur westliche Marken bieten Design, Funktion, digitale Features. Preisbewusste Konsumenten bevorzugen „Affordable Premium“. Und das kommt oft aus Asien.
4.Compliance und Nachhaltigkeit: Europa f?hrt – und zahlt einen hohen Preis.
Strenge ESG-Standards und CO-Regeln verteuern die Produktion. Kunden fordern zwar Nachhaltigkeit, wollen aber nicht daf?r zahlen. Eine Profitabilit?tsfalle.
5.M&A ist ?berlebensstrategie statt Option.
Wer nicht skaliert, wird selbst ?bernommen. Die Fragmentierung der Industrie l?hmt Innovation und Effizienz – und ?ffnet die T?r f?r aggressivere Player.

Keine Chance auf dem digitalen Markt durch eigene Vers?umnisse

Smart Home und die digitale Verkn?pfung gelten seit Jahren als „the next big thing“. Die Wahrheit aber ist, dass der Kampf um digitale Plattformen l?ngst entschieden ist. Gewonnen haben ihn Player wie Amazon oder Google dank ihrer Geschwindigkeit und ?berlegenen Kompetenz bei der Software-Entwicklung. Der Haushaltsger?te-Industrie bleiben lediglich zwei Alternativen: Integration oder Bedeutungsverlust. Forschungsbudgets in Milliardenh?he flossen in digitale Features, die kaum Return on Investment (ROI) brachten. Auch weil sie keinen Zusatznutzen bringen. 60 % der Verbraucher sind Studien zufolge nicht bereit, f?r derlei digitale Features zu zahlen. Zudem zielen Forschung und Entwicklung h?ufig in so viele unterschiedliche Richtungen, dass sie ineffizient werden. Etliche Studien weisen wiederholt auf diese Schwachstelle hin.
Nicht zuletzt entt?uschen die D2C-Vertriebsmodelle, die lange als gro?e Hoffnung galten auf Profit, Kundenbindung und Brand Ownership. Klingt in der Theorie hervorragend, tats?chlich ist es aber kostspielig und komplex – und nicht jeder Hersteller strukturiert genug, es rentabel umzusetzen.

6.Die Industrie hat den Wechsel zu Software als Strategie verschlafen.
Ob Cloud-Architektur oder KI-Integration – Software ist das Herz, nicht nur h?bscher Zusatznutzen. Viele Traditionshersteller denken zu sehr in Hardware und kommen ?ber den Kulturschock nicht hinweg.
7.Das Rennen um Plattformen und ?kosysteme ist l?ngst verloren.
Big Tech Companies wie Amazon, Google und Apple dominieren das digitale Heim. Eigene Plattformversuche der Hersteller sind gescheitert. Integration ist der letzte Ausweg. Sie verlieren dabei Kontrolle, aber wenigstens nicht komplett die Relevanz.
8.Smart Home ist nicht immer schlau – und setzt auf die falschen Features.
Die Hersteller investieren Milliarden in Anwendungen, die kaum genutzt werden. Das echte Potenzial – Kundenbindung, Services, Hyperpersonalisierung – verpassen sie.
9.Geldvernichtung im Labor: Forschung & Entwicklung fehlen Strategie und Fokus
R&D-Budgets sind limitiert – und werden trotzdem wie mit der Gie?kanne verteilt. Zu viele Initiativen, zu wenig Wirkung. Viel L?rm um Nichts. Innovation verpufft, wenn strategische Priorit?ten fehlen
10.D2C-Modelle sind eine PowerPoint-Fantasie
Fehlende Nutzerzentrierung, hohe Logistikkosten und geringe Wiederkaufsraten machen direkte Kundenkan?le f?r viele unprofitabel

So schmerzhaft diese zehn Punkte klingen – es sind unbequemen Wahrheiten, mit denen die Industrie konfrontiert ist. Will sie den Turnaround schaffen, ist es ihre Pflicht, sich aktiv diesen Herausforderungen zu stellen.

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