Von Michael Timm, Senior Director bei A&M
Wasserstoff gilt als ein zentraler Baustein f?r eine nachhaltigere Zukunft in Europa. Er beschleunigt die Dekarbonisierung und ist eine praktikable Alternative zu fossilen Brennstoffen. Insbesondere gr?ner Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit erneuerbaren Energien gewonnen wird, ist eine Alternative f?r Branchen, die bisher vor gr??eren Herausforderungen steht, ihre Emissionen zu reduzieren. Zus?tzlich entsteht mit gr?nem Wasserstoff ein chemischer Rohstoff, der als Energiespeicher genutzt werden kann.
Die Europ?ische Union (EU) hat sich ehrgeizige Ziele f?r erneuerbaren Wasserstoff gesetzt. Sie will bis 2030 j?hrlich 10 Millionen Tonnen produzieren und die gleiche Menge importieren, was Investitionen von ?ber 100 Milliarden Euro allein in die Produktionskapazit?t erfordert. Die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff hat im Jahr 2022 nur 20.000 Tonnen innerhalb der EU betragen. Weniger als 1 % der weltweiten Wasserstoffproduktion und -nutzung ist heute im Einklang mit h?chsten Ma?st?ben des Umweltschutzes.[1]
Midstream-Infrastruktur
Ein wesentliches Hindernis ist die Transportinfrastruktur. Um das volle Potenzial der Nachfrage und der anschlie?enden Investitionen auszusch?pfen, muss der Wasserstoff auf kosteneffiziente Weise an die Endverbraucher geliefert werden. Trotz einer wachsenden Projektpipeline haben nur 7% der angek?ndigten Wasserstoffkapazit?ten in der EU eine endg?ltige Investitionsentscheidung erhalten.[2]
Ohne langfristige Abnahmevertr?ge haben viele Projektentwickler Schwierigkeiten Finanzierungen abzusichern. Das Z?gern der Investoren hinsichtlich der k?nftigen Nachfrage ist nicht unbegr?ndet. Das derzeitige Vertriebsmodell verhindert eine steigende Nachfrage und mehr Investitionssicherheit, da gr?ner Wasserstoff meist am selben Ort produziert und verbraucht wird. Er muss in wettbewerbsf?higem Umfang an Standorten produziert werden, an denen Strom aus erneuerbaren Energien am besten verf?gbar und kosteng?nstig ist.
Eine Midstream-Infrastruktur spielt daf?r eine entscheidende Rolle. Mit ihr kann man Angebot und Nachfrage sicher und kosteng?nstig aufeinander abstimmen. Pipelinenetze sind die wirtschaftlichste Option f?r den Transport von Wasserstoff ?ber gro?e Entfernungen und in gro?en Mengen. Mit Kosten von 0,11 bis 0,21 EUR/kg (3,3 bis 6,3 EUR/MWh) pro 1.000 km ?bertreffen sie den Transport per Schiff f?r alle angemessenen Entfernungen innerhalb Europas und in den angrenzenden Regionen.[3]
Der Transport von Wasserstoff ?ber Pipelines ist auch wesentlich weniger komplex. Die Erzeugung gro?er Gasmengen in der N?he des Verbrauchsortes ist durch die Kapazit?t der
Stromnetze begrenzt, so dass die ?bertragung von Energie in Form von Wasserstoffmolek?len durch Pipelines kosteng?nstiger ist. Ein Pipelinesystem kann auch den grenz?berschreitenden Handel innerhalb der EU erleichtern und regionale Unterschiede bei Angebot und Nachfrage ausgleichen. L?nder mit einem h?heren Bedarf und geringen heimischen Versorgungspotenzial, wie Deutschland, k?nnen Wasserstoff importieren, um den nationalen Bedarf zu decken.
Herausforderungen und L?sungen beim Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur
Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist das geplante European Hydrogen Backbone (EHB), das von einer Gruppe von 31 Energieversorgungsunternehmen aufgebaut wird. Das Netz soll bis 2030 31.500 Kilometer umfassen und k?nnte die Versorgungskosten um 330 Milliarden Euro gegen?ber einem lokalisierten Modell mit regionaler Versorgung und Nachfrage senken.
Auch L?nder wie Deutschland und die Niederlande haben mit dem Ausbau ihrer nationalen Pipelinenetze begonnen, einschlie?lich grenz?berschreitender Verbindungen. Unternehmen wie Everfuel, HyCC und HH2E richten ihre Strategien an diesem Modell aus und starten gro? angelegte Produktionspl?ne, die f?r den Anschluss an Pipelines optimiert sind. Dies sind positive Signale, aber es sind noch mutigere Schritte erforderlich, um den Infrastrukturstau zu durchbrechen und den Wasserstoffmarkt in Europa zu beschleunigen. Bislang gibt es noch keine Projekte zur Versorgung von grenz?berschreitenden Kunden mit gr?nem Wasserstoff.
Eine m?gliche L?sung k?nnten Garantien von Regierungen und ?bertragungsnetzbetreiber f?r die Verf?gbarkeit von Pipelines und die Einhaltung von Fristen sein. Im Gegenzug w?rden sich Produzenten verpflichten, bestimmte Mengen und Auslastungsgrade zu liefern. Ohne solche Garantien werden sich Investitionsentscheidungen und Projektentwicklungen verz?gern, bis die Pipelines gebaut und voll funktionsf?hig sind – ein Prozess, der mehrere Jahre dauern kann. Derzeit werden die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) und andere Fixkosten f?r Wasserstoffproduzenten auf etwa 20 bis 30 Millionen Euro pro Jahr und 100 MW Elektrolyseurkapazit?t gesch?tzt.
Schlie?lich w?rde der im Entstehen begriffene Markt f?r erneuerbaren Wasserstoff von einer klaren Umsetzung der Verpflichtungen auf der Nachfrageseite profitieren, die die Wirtschaftsakteure zur Integration von erneuerbarem Wasserstoff zwingen, wie in der EU-Richtlinie ?ber erneuerbare Energien dargelegt. Dies w?rde gleiche Wettbewerbsbedingungen f?r die EU-Produktion und Importe schaffen und zur Einf?hrung eines EU-weiten Systems handelbarer Zertifikate beitragen, das ?berdurchschnittliche Leistungen belohnt und die Einhaltung der Vorschriften erleichtert.
Der Aufbau einer Infrastruktur f?r die gro?industrielle Nutzung von gr?nem Wasserstoff wird viele Jahre in Anspruch nehmen, und wenn die Netto-Null-Ziele erreicht werden sollen, ist es von entscheidender Bedeutung, rechtzeitig mit der Planung zu beginnen, parallel zur wachsenden Nachfrage nach dem Gas in neuen Sektoren. Dies erfordert, dass alle Akteure der Wertsch?pfungskette – politische Entscheidungstr?ger, ?bertragungsnetzbetreiber, Entwickler und Verbraucher – zusammenkommen, um dieses fehlende Glied im Puzzle von Angebot und Nachfrage zu l?sen.
Ohne die notwendige Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungstr?ger f?r die zentrale Rolle der Midstream-Infrastruktur wird sich der Start der Wasserstoffwirtschaft massiv verz?gern. Die Midstream-Infrastruktur ist unerl?sslich, um kosteneffiziente L?sungen zu realisieren und die mit Investitionen in die Produktion und in nachgelagerte Bereiche verbundenen Risiken zu verringern.
[1] Global Hydrogen Review 2023 (windows.net)
Keywords:Expertenausblick,Pipeline-Infrastruktur,Markt