Big Data in der Klinik: Wie AIQNET Krankenhausabläufe schneller und Patienten gesünder macht

Interview mit Prof. Strube, Waldkliniken Eisenberg

D-Eisenberg I In dem vom Bundesministerium f?r Wirtschaft und Klimaschutz gef?rderten Projekt AIQNET entsteht ein offenes, digitales ?kosystem, das in Zukunft erlauben soll, medizinische Daten mit Hilfe von K?nstlicher Intelligenz (KI) austauschbar und damit f?r Forschung, Diagnose und Behandlung besser nutzbar zu machen. Die Waldkliniken Eisenberg in Th?ringen sind als f?hrendes Zentrum f?r Orthop?die in Deutschland Teil des 16-k?pfigen AIQNET-Konsortiums. Im Interview erl?utert Prof. Dr. Patrick Strube, Oberarzt und Leiter des Departments Wirbels?ule, die Rolle der Waldkliniken Eisenberg im Projekt und beschreibt den Mehrwert von AIQNET f?r Kliniken und Patienten. Dabei beleuchtet er erste Erfolge wie die gelungene Transferierung von Basisdatens?tzen in das AIQNET-?kosystem sowie aktuelle Herausforderungen, etwa die fehlende Bereitstellung von Daten durch geschlossene Krankenhausinformationssysteme.

Prof. Strube, an welchem Anwendungsfall im Projekt AIQNET arbeiten Sie f?r die Waldkliniken Eisenberg?
Gemeinsam mit dem Universit?tsklinikum Jena arbeiten die Waldkliniken Eisenberg an der Generierung und ?berpr?fung wissenschaftlicher Hypothesen auf Basis von Routine-Patientendaten, die mit Hilfe K?nstlicher Intelligenz ausgewertet werden. Vereinfacht gesagt: Wie in jedem Krankenhaus werden auch bei uns zahlreiche Daten gesammelt. Sie liegen in verschiedenen Archivsystemen und h?ufig in unstrukturierter Form vor. AIQNET soll helfen, diese Daten zuk?nftig besser zu nutzen, beispielsweise um das passende Medizinprodukt oder die optimale Operationsmethode auszuw?hlen. In unserem Use Case geht es konkret um die Daten rund um die Behandlung der Halswirbels?ule.

Was haben Sie innerhalb des Projekts AIQNET bisher erreicht?
Die Pandemie und die damit verbundene angespannte Personalsituation hat uns leider deutlich im Projektablauf zur?ckgeworfen. Umso gl?cklicher sind wir, dass am Ende des letzten Jahres die technische Verlinkung mit dem AIQNET-?kosystem gelungen ist. So konnten wir beispielsweise erste Basisdatens?tze transferieren. Au?erdem haben wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern erfolgreich KI-Routinen trainieren k?nnen, deren Leistung durch humane Rater, also menschliche Bewertung, verifiziert wurde. Diese Routinen dienen nun zur automatisierten Datenextraktion aus den riesigen Datens?tzen mit DICOM-Bildern wie beispielsweise R?ntgenaufnahmen. Das ist die Voraussetzung, um im Rahmen des Teilprojekts, aber auch gemeinsam mit unseren klinischen Kooperationspartnern, Daten zu analysieren. Unsere Verifizierungsstudie zur automatisierten Erfassung von Halswirbels?ulenparametern wurde auf dem Jahreskongress der Deutschen Wirbels?ulengesellschaft pr?sentiert und ist sogar f?r den diesj?hrigen Whitecloud-Award der Scoliosis Research Society nominiert. Wir bereiten dazu auch eine Publikation vor.

Welche Ziele haben Sie noch bis zum Ende der F?rderlaufzeit?
Bis zum Projektende steht nun die modulare Erweiterung der Schnittstelle zu AIQNET an. Hierdurch werden die Datens?tze um eine nicht unerhebliche Zahl von Parametern erweitert, um unsere Projektziele – die ?berpr?fung von wissenschaftlichen Hypothesen an gro?en Datens?tzen und die Generierung neuer Hypothesen – zu erreichen. Im Moment k?nnen wir, wie gesagt, nur unsere Basisdaten transferieren. Konkret sind KI-gest?tzte Erweiterungen der Schnittstelle zum Rohdatentransport von DICOM-Bildparametern von Hals-, Brust, und Lendenwirbels?ule sowie von Beinachsenbildern (Ganzbeinaufnahmen) vorgesehen. Daneben stehen vor allem PROMs (patient related outcome measures) im Fokus der geplanten Schnittstellenerweiterung.

Wie k?nnen aus Ihrer Sicht Patienten in Zukunft von dem Projekt AIQNET profitieren?
Die optimale Patientenversorgung steht f?r mich immer an erster Stelle. Durch die automatisierte und standardisierte Speicherung und das Prozessieren gro?er Datens?tze ergeben sich M?glichkeiten der ?berpr?fung wissenschaftlicher Hypothesen und Studienergebnisse mit bisher nie dagewesener epidemiologischer Relevanz. Die Ergebnisse tragen dazu bei, operative Verfahren und Indikationsstellungen zu optimieren. Aus meiner Sicht wird Big Data in der Klinik mittels AIQNET daf?r sorgen, dass die Patientensicherheit deutlich verbessert wird und Patienten schneller gesund werden.

AIQNET soll dazu beitragen, die klinisch-wissenschaftliche Forschung langfristig voranzutreiben. Welche Wettbewerbsvorteile bietet AIQNET den Kliniken?
Das strukturierte und automatisierte Erfassen und Verarbeiten gro?er Datenmengen erm?glicht allen Teilnehmern, Studien auf eine viel breitere Basis zu stellen. Die Modularit?t des ?kosystems AIQNET er?ffnet eine beliebige Erweiterbarkeit hinsichtlich zuk?nftiger Datens?tze. Einerseits gewinnen die Projektpartner so einen Vorteil f?r die eigene Forschung, andererseits k?nnen die pseudonymisierten Datenmengen sowie die entwickelten KI-Netzwerke auch dazu dienen, Forschungsdienstleistungen f?r Dritte, beispielsweise f?r Forschungseinrichtungen oder Medizinproduktehersteller, anzubieten.

Klinische und medizinische Daten sind hochsensibel. Wie gelingt es in Ihrer Klinik, Patienten zu motivieren, ihre Daten f?r AIQNET zur Verf?gung zu stellen?
Die meisten Patienten unterst?tzen gern den medizinischen Fortschritt. Dennoch ist eine deutliche Sensibilisierung hinsichtlich des Datenschutzes und eine Angst der Patienten vor Datenmissbrauch festzustellen. Umso wichtiger ist die Transparenz. Die Sicherheit bez?glich des vertrauensvollen Umgangs mit den Daten und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sind ebenso wichtig wie die Nutzung von Anonymisierungs- und Pseudonymisierungsprozessen im Rahmen von Forschungsprojekten wie AIQNET.

AIQNET schafft ein ?kosystem zur breiten Nutzung von Gesundheitsdaten f?r Forschung und evidenzbasierte Medizin. Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell bei der Sammlung und Bereitstellung dieser Daten?
Es gibt noch erhebliche Probleme bei der Bereitstellung dieser Daten. Diese resultieren aus der Abgeschlossenheit der Krankenhausinformationssysteme (KIS) durch fehlende oder unzureichend bereitgestellte Schnittstellen durch die Hersteller, der fehlenden Standardisierung der in den KIS gespeicherten Datenstruktur sowie zahlreichen juristischen, vor allem datenschutzrechtlichen, H?rden. Und letztlich aus dem Fehlen einer die unterschiedlichen KIS vernetzenden Infrastruktur.

Wenn Sie Ihren Blick in die Zukunft richten – wo sehen Sie das ?kosystem AIQNET 2030? Was w?rden Sie sich von ihm w?nschen?
Ich sehe AIQNET in Zukunft als Dienstleister, der medizin?konomische und wissenschaftliche Fragestellungen auf Basis von Big Data und mit Hilfe von neuronalen Netzen automatisiert bearbeitet bzw. Informationen f?r deren Beantwortung bereitstellt. Die Struktur wird modular bleiben und die Zahl der Partner wird ebenso wie die Anwendungen stetig wachsen. Wenn ich mir etwas w?nschen d?rfte, w?re das eine standardisierte Integration einer AIQNET-Schnittstelle, beispielsweise als Modul f?r bestehende KIS-Systeme durch die Hersteller. Ich bin sehr optimistisch, dass dieser Wunsch vielleicht schon vor 2030 in Erf?llung gehen wird.

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